Liegt eine Amtspflichtverletzung mit Schadensersatzanspruch vor?
Gibt es anderweitige Ersatzmöglichkeiten?
Staatshaftungsrecht regelt, wann und wie der Staat (Bund, Länder, Gemeinden, Körperschaften) für Rechtsverletzungen oder rechtmäßige Sonderopfer haftet. Es geht um außervertragliche Haftung bei hoheitlichem Handeln; wenn der Staat wie ein Privater handelt (fiskalisch), gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln.
Das Staatshaftungsrecht beantwortet die unangenehme, aber notwendige Frage, wann der Staat für Schäden einstehen muss, die durch sein Handeln entstehen. Ausgangspunkt ist stets die Unterscheidung zwischen hoheitlichem und fiskalischem Handeln. Agiert der Staat hoheitlich, also mit den besonderen Mitteln der öffentlichen Gewalt (Verwaltungsakt, Realakt, Rechtsprechung, Gesetzgebung), greifen die besonderen staatshaftungsrechtlichen Institute. Tritt er dagegen wie ein Privater auf, etwa als Vermieter einer städtischen Immobilie oder Betreiber eines Krankenhauses in privatrechtlicher Organisationsform, gelten grundsätzlich die zivilrechtlichen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs: vertragliche Ansprüche, vorvertragliche Haftung und deliktische Haftung nach § 823 BGB.
Das zentrale Haftungsinstitut für hoheitliches Handeln ist die Amtshaftung. Ihre Rechtsgrundlage ist Art. 34 Satz 1 GG in Verbindung mit § 839 BGB. Verletzt ein Amtswalter in Ausübung eines öffentlichen Amtes eine Amtspflicht, die gerade auch dem Schutz einzelner Dritter zu dienen bestimmt ist, und geschieht dies schuldhaft, haftet nicht der Beamte persönlich, sondern der Staat beziehungsweise der zuständige öffentlich-rechtliche Rechtsträger. Die drittschützende Qualität der verletzten Norm ist dabei entscheidend: Nicht jede organisatorische oder verfahrensrechtliche Vorschrift will den Einzelnen schützen; maßgeblich sind Zweck, Systematik und anerkannte Schutzadressaten. Zum Verschulden zählt nicht nur persönliches Fehlverhalten, sondern auch Organisationsverschulden, also unzureichende Ausstattung, fehlerhafte Dienstanweisungen oder mangelnde Aufsicht. Der Geschädigte muss Kausalität und Schaden darlegen und beweisen. Charakteristisch ist zudem die Rechtsmittelobliegenheit des § 839 Abs. 3 BGB: Hätte ein zumutbarer Rechtsbehelf den Schaden verhindert, scheidet die Haftung aus. Für richterliche Tätigkeit gilt das sogenannte Spruchrichterprivileg (§ 839 Abs. 2 BGB): Eine Haftung wegen inhaltlich fehlerhafter Entscheidungen kommt nur in Betracht, wenn zugleich ein Straftatbestand verwirklicht ist. Daneben besteht mit § 198 GVG ein eigenständiger Entschädigungsanspruch bei unangemessener Dauer gerichtlicher Verfahren. Die Rechtsfolge der Amtshaftung ist der klassische Schadensersatz nach den Grundsätzen des Zivilrechts, einschließlich Schmerzensgeld bei Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter (§ 253 Abs. 2 BGB).
Neben der Amtshaftung existiert eine zweite große Gruppe von Ansprüchen, die nicht an rechtswidriges Fehlverhalten, sondern an rechtmäßige hoheitliche Eingriffe oder an besondere Belastungen anknüpft. Enteignungen im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG sind nur zum Wohle der Allgemeinheit aufgrund Gesetzes zulässig und müssen entschädigt werden; die Höhe und Art der Entschädigung ergeben sich aus dem jeweiligen Fachgesetz. Wo das Gesetz keine ausdrückliche Entschädigung vorsieht, hat die Rechtsprechung Ausgleichsinstitute entwickelt, um unzumutbare Sonderopfer auszugleichen: der enteignende Eingriff für rechtmäßige, aber unverhältnismäßig belastende Eingriffe in Eigentumspositionen, der enteignungsgleiche Eingriff für rechtswidrige hoheitliche Eingriffe mit eigentumsähnlicher Wirkung sowie der Aufopferungsanspruch für rechtmäßige Eingriffe in nichtvermögensrechtliche Güter wie Leben, Körper oder Freiheit. Diese richterrechtlichen Ansprüche sind subsidiär, das heißt, spezielle gesetzliche Entschädigungsregelungen gehen immer vor.
Eine besondere Rolle spielt die unionsrechtliche Staatshaftung. Verstößt ein Mitgliedstaat gegen eine dem Einzelnen Rechte verleihende Norm des Unionsrechts, kann der Betroffene vor nationalen Gerichten Schadensersatz verlangen, sofern der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und kausal zum Schaden führte. Diese Haftung greift etwa bei fehlerhafter oder verspäteter Umsetzung von Richtlinien, bei offensichtlicher Missachtung eindeutiger unionsrechtlicher Vorgaben oder bei justiziellen Verstößen gegen das Unionsrecht. Sie beruht nicht auf nationalem, sondern auf Unionsrecht und ergänzt die nationalen Institute, ohne sie zu verdrängen.
Für den Rechtsweg gilt: Staatshaftungsansprüche werden grundsätzlich vor den ordentlichen Gerichten (Landgericht) geltend gemacht; sachlich ist regelmäßig das Landgericht zuständig. Das Zivilgericht prüft dabei alle verwaltungsrechtlichen Vorfragen selbst, also auch die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts. Unabhängig davon ist es in der Praxis klug, primären Rechtsschutz gegen belastende Maßnahmen zu suchen, weil dies Schäden begrenzen und die Hürde des § 839 Abs. 3 BGB beseitigen kann. Die Verjährung richtet sich in aller Regel nach den §§ 195, 199 BGB; sie beträgt drei Jahre ab dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte von Schaden und Schädiger Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Für die richterrechtlichen Ausgleichsansprüche folgt man ebenfalls der regelmäßigen Verjährung, soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen entgegenstehen.
Die Abgrenzung zu privatrechtlichen Konstellationen bleibt prüfungsentscheidend. Sichert die Kommune den Verkehr auf einer öffentlichen Straße, handelt sie hoheitlich; versäumt hingegen eine kommunale GmbH die Räumung ihres Kundenparkplatzes, unterliegt sie den privatrechtlichen Haftungsnormen. Ebenso wichtig ist der Blick auf spezielle Entschädigungstatbestände in Fachgesetzen, etwa im Polizei- und Ordnungsrecht, im Katastrophenschutz oder im Infektionsschutzrecht. Solche Normen sind vorrangig und schließen den Rückgriff auf richterrechtliche Institute aus, wenn sie den Schadenstyp erkennbar regeln wollen. Inhaltlich bleibt schließlich festzuhalten: Das Staatshaftungsrecht will nicht jede staatliche Fehlleistung in Geld umrechnen, sondern einen gerechten Ausgleich dort schaffen, wo rechtswidrige drittgerichtete Pflichtverletzungen oder rechtmäßige, aber unzumutbare Sonderopfer die Schwelle zur Verantwortlichkeit überschreiten. Wer systematisch prüft, zuerst die Handlungsform bestimmt, sodann die passende Anspruchsgrundlage wählt und erst am Ende über Rechtsfolge und Verjährung spricht, landet verlässlich bei einer tragfähigen Lösung.
Bei Rechtsfragen zum Thema Staatshaftungsrecht freue ich mich über Ihre Anfrage.