Welche Leistungen stehen mir zur Teilhabe am Arbeitsleben, an der Bildung oder in der sozialen Teilhabe zu?
Wie erhalte ich ein persönliches Budget?
Eingliederungshilfe nach SGB VIII und SGB IX
1) Was ist Eingliederungshilfe überhaupt?
Eingliederungshilfe soll Menschen mit Behinderungen eine Lebensführung ermöglichen, die der Menschenwürde entspricht, und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fördern. Das ist der gesetzliche Auftrag in Teil 2 des SGB IX; dort steht ausdrücklich, welche „Teilhabe-Bereiche“ abgedeckt werden: medizinische Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung und Soziale Teilhabe. (lexetius.com, buzer.de, dejure.org)
2) Zwei Rechtswege – wovon hängt es ab?
- SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe): Zuständig, wenn es um Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung geht oder eine solche droht. Das ist die spezielle Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII. Die Jugendhilfe steuert die Hilfe über das Hilfeplanverfahren (insbes. § 36, § 36a SGB VIII). (Gesetze im Internet, dejure.org)
- SGB IX (Teil 2 – Eingliederungshilferecht): Zuständig für Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 2 SGB IX, wenn ihre Teilhabe wesentlich beeinträchtigt ist (Personenkreis in § 99 SGB IX). Für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung greift regelmäßig SGB IX, nicht SGB VIII. (Gesetze im Internet)
Schnittstellenregel (Vorrang/Nachrang): Das SGB VIII enthält in § 10 Vorgaben zum Verhältnis zu anderen Trägern. Vereinfacht: Leistungen der Jugendhilfe haben grundsätzlich Nachrang, soweit vorrangige Systeme greifen; für die Eingliederungshilfe bei körperlicher/geistiger Behinderung junger Menschen ordnet § 10 SGB VIII den Vorrang des SGB IX an. Parallel dazu gilt im SGB IX der Nachrang der Eingliederungshilfe in § 91 SGB IX. (Gesetze im Internet)
3) Eingliederungshilfe nach SGB VIII (für seelisch behinderte Kinder/Jugendliche)
Wer hat Anspruch?
Kinder und Jugendliche, deren seelische Gesundheit voraussichtlich länger als sechs Monate erheblich vom alterstypischen Zustand abweicht und deren Teilhabe dadurch wesentlich beeinträchtigt ist; ebenso, wenn eine solche Beeinträchtigung droht. Das steht in § 35a Abs. 1 SGB VIII. (Gesetze im Internet)
Welche Leistungen gibt es?
Die konkrete Ausgestaltung folgt dem Jugendhilferecht; es kommen ambulante, teilstationäre oder stationäre Hilfen in Betracht, die auf die Teilhabe des jungen Menschen zielen. Die Steuerung erfolgt über den Hilfeplan des Jugendamtes (Mitwirkung aller Beteiligten, Festlegung von Zielen, Umfang, Dauer). Rechtsgrundlagen: § 36 und § 36a SGB VIII. (dejure.org)
Verfahren in Kürze
Antrag beim Jugendamt, Hilfeplanverfahren, Entscheidung und laufende Fortschreibung. Dabei sind Wunsch- und Wahlrecht, Wirtschaftlichkeit und Kindeswohl zu beachten; die Kostensteuerung und Fragen der „Selbstbeschaffung“ regelt § 36a SGB VIII. (dejure.org)
4) Eingliederungshilfe nach SGB IX (Teil 2)
Ziel und Grundstruktur
- Auftrag: menschenwürdige, selbstbestimmte Lebensführung und Teilhabe sichern (§ 90 SGB IX).
- Leistungsgruppen: medizinische Reha, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung, Soziale Teilhabe; die drei erstgenannten gehen der Sozialen Teilhabe vor (§ 102 Abs. 1 und 2 SGB IX). (lexetius.com, buzer.de)
Wer hat Anspruch?
Menschen mit Behinderungen im Sinne des § 2 SGB IX, deren Teilhabe wesentlich beeinträchtigt ist, oder die von einer wesentlichen Behinderung bedroht sind (§ 99 SGB IX). (Gesetze im Internet)
Was wird konkret geleistet?
- Leistungen nach § 102 SGB IX decken alle vier Gruppen ab; besonders sichtbar ist die Soziale Teilhabe nach § 113 SGB IX (z. B. Assistenz, Mobilität, Wohnen, Teilhabe am Gemeinschaftsleben). Die Einzelziele werden im Gesamtplanverfahren festgelegt (§ 117 SGB IX). (buzer.de, dejure.org, Gesetze im Internet)
Verfahren in Kürze
Antrag bei einem in Betracht kommenden Rehaträger, Zuständigkeitsklärung nach Teil 1 SGB IX, Bedarfsermittlung und Gesamtplan (§§ 117 ff. SGB IX), Bescheid, regelmäßige Überprüfung und Fortschreibung. (Gesetze im Internet)
Nachrangprinzip
Eingliederungshilfe ist nachrangig, wenn andere Sozialleistungsträger die erforderliche Leistung erbringen müssen (§ 91 SGB IX). Das verhindert Doppelbewilligungen, darf aber bedarfsgerechte Teilhabe nicht unterlaufen. (Gesetze im Internet)
5) Typische Abgrenzungen in der Praxis
- Seelische Behinderung bei Minderjährigen: Jugendamt, § 35a SGB VIII (Hilfeplan). (Gesetze im Internet)
- Körperliche/Geistige Behinderung bei Minderjährigen: regelmäßig SGB IX (Eingliederungshilfe-Träger), Vorrangregel kommt aus § 10 SGB VIII. (Gesetze im Internet)
- Alle Behinderungsarten bei Volljährigen: SGB IX (Teil 2). Leitbild, Leistungsgruppen und Verfahren ergeben sich aus §§ 90, 99, 102, 113, 117 SGB IX. (lexetius.com, Gesetze im Internet, buzer.de, dejure.org)
6) Beispiele
- Schulische Teilhabe, seelische Behinderung: 12-Jährige mit Angststörung; das Jugendamt bewilligt schulische Unterstützung und sozialpädagogische Hilfe über § 35a SGB VIII, gesteuert im Hilfeplan. (Gesetze im Internet, dejure.org)
- Soziale Teilhabe, körperliche Behinderung: 22-Jähriger Rollstuhlnutzer erhält Assistenz für Mobilität, Wohnen und Freizeit als Leistungen der Sozialen Teilhabe nach § 113 SGB IX; Inhalte und Ziele stehen im Gesamtplan. (dejure.org, Gesetze im Internet)
- Studienassistenz, Sehbehinderung: 19-Jährige Studentin bekommt Hilfen zur Teilhabe an Bildung nach § 102 SGB IX; ergänzend werden Wegeassistenz und technische Unterstützung geplant. (buzer.de)
7) Merksätze
- SGB VIII: § 35a für seelisch behinderte Kinder/Jugendliche, mit Hilfeplan. (Gesetze im Internet, dejure.org)
- SGB IX: Teil 2 für die Eingliederungshilfe insgesamt; Personenkreis in § 99, Leistungsgruppen in § 102, Soziale Teilhabe in § 113, Verfahren über § 117. Nachrang in § 91. (Gesetze im Internet, buzer.de, dejure.org)
- Vorranglogik: Bei körperlicher/geistiger Behinderung junger Menschen ist SGB IX vorrangig vor Jugendhilfe (§ 10 SGB VIII). (Gesetze im Internet)
Bei Rechtsfragen zum Thema Eingliederungshilfe freue ich mich über Ihre Anfrage.